In der Pilot-Ausgabe des Newsletters erzählt Peter Claus Lamprecht zwei Geschichten und zieht daraus wertvolle Schlüsse für die Präsentation und das Auftreten überhaupt.
Brauchen wir eigentlich noch Folien?
von Peter Claus Lamprecht*
Präsentationsberater
I
Vertriebstagung, der Chef präsentiert das neueste Produkt im Portfolio: Die Verträge wurden erst am Vorabend unterzeichnet.
Er macht eine Pause und genießt den Moment. Er weiß, der Vertrieb wird begeistert sein, und die Kunden werden das Produkt lieben.
Er klickt weiter, doch es erscheint die falsche Folie. Der Assistent hatte zwar die Inhalte ergänzt, aber das Speichern vergessen.
Totenstille im Raum. Kommt jetzt ein Donnerwetter?
Aber nein! Der Chef bleibt gelassen:
„Was für eine Herausforderung! Okay, ich will versuchen, Ihnen auch ohne Folien zu beschreiben, welch schöne Überraschung ich für Sie vorbereitet habe …“
Er schildert das Produkt, den Deal und die Chancen. Alle hören gespannt zu.
In den Wochen danach sprechen sie noch lange über seine souveräne Reaktion.
II
Wirtschaftsvereinigung, exklusiver Club, ich leite einen Präsentationsworkshop.
Als ich ein Video starte, ist das Bild auf der Leinwand für einen Moment zu dunkel.
Ein Teilnehmer springt auf und betätigt mehrere Schalter an der Wand, um das Licht im Raum zu dimmen. Dabei erwischt er den Schalter für die Steckdose, an der der Projektor angeschlossen ist.
Nun ist die Leinwand erst recht dunkel.
Ich nutze die Zwangspause und erkläre, was gerade geschehen ist:
Der Projektor hatte kurzzeitig keinen Strom. Jetzt laufen die Lüfter auf Hochtouren, um ihn abzukühlen. Erst, wenn dieser Vorgang abgeschlossen ist, kann man ihn wieder einschalten. Das wird ein paar Minuten dauern.
Ich frage: „Was tun Sie, wenn die Technik versagt und Sie ohne Folien präsentieren müssen?“
Wir spielen mehrere Szenarien durch und entwickeln Strategien, Pannen zu meistern.
In der Mittagspause dann die Frage: „Herr Lamprecht, vorhin mit dem Projektor, das war doch inszeniert, oder?“
Die beste Folie ist die, die nicht gezeigt wird
Ja, dieser Schluss liegt nahe. In beiden Geschichten sind die fehlenden Folien ein Highlight der Präsentation.
Doch was macht die beiden Präsentationen wirklich aus?
- Sie überraschen und brechen mit Erwartungen
- Sie fördern den Dialog mit dem Publikum
- Sie zeigen souveränes Handeln
Diese drei Punkte sind das Rezept für exzellente Präsentationen, die das Publikum aktivieren und begeistern.
Und – Sie ahnen es – dieses Rezept funktioniert auch mit PowerPoint-Folien.
Sie entscheiden: Folien als Energie-Räuber oder Energie-Verstärker
Es gibt zwei Arten von Folien:
Präsentationsfolien
Sie unterstützen den Vortrag und verstärken die Botschaft. Sie funktionieren nur im Zusammenspiel mit dem gesprochenen Wort.
Selbstlesefolien
Sie enthalten viel Text, erklären sich selbst – und lenken die Aufmerksamkeit weg vom Präsentierenden.
Schauen Sie sich die Folien Ihrer letzten Präsentation an: Sind es eher Präsentations- oder Selbstlesefolien?
Die unbequeme Wahrheit ist, wenn Sie die Folien auch als Handout verwenden können, dann sind es eher energieraubende Selbstlesefolien.
So machen Sie aus PowerPoint-Folien Energie-Verstärker
- Denken Sie in Szenen, nicht in Folien.
Jede Szene vermittelt genau eine Idee, einen Gedanken oder einen Prozess. Wenn Sie dafür eine Sequenz von Folien benötigen, nur zu! Es ist gehirngerecht, nicht alles auf eine Seite zu stopfen, sondern den Inhalt auf mehrere Folien zu verteilen. Und wenn ein anderes Medium besser geeignet ist als Folien, dann nehmen Sie das. - Vermeiden Sie Folien, die selbsterklärend sind.
Solche Folien machen Sie überflüssig. Und da das Publikum schneller liest als Sie vortragen können, verpufft jede Spannung. Bauen Sie stattdessen Ihre Folien schrittweise auf und bringen Sie die Pointe auf der Tonspur. - Beachten Sie die Drei-Sekunden-Regel.
Ihr Publikum muss in drei Sekunden erkennen, worum es auf der Folie geht. Nur dann bleibt die Aufmerksamkeit bei Ihnen. Wenn sich Ihr Publikum ständig fragt, „Was sehe ich hier eigentlich?“, dann werden Sie es verlieren. - Nutzen Sie Ihre Kernbotschaft als Filter.
Ihre Präsentation hat genau eine zentrale Aussage. Diese Kernbotschaft ist auch der Claim oder Slogan Ihrer Präsentation. Sie beschreibt in einem Satz, worum es in der Präsentation geht.
Damit eignet sie sich als perfekter Filter: Entfernen Sie alle Folien, die nicht auf Ihre Kernbotschaft einzahlen. Je früher Sie diesen Filter anwenden, desto weniger Folien müssen Sie vorbereiten. - Bauen Sie schwarze Folien ein.
Eine schwarze Folie bewirkt, dass Projektor und Screen dunkel bleiben. Nichts lenkt mehr von Ihnen ab, und Sie stehen im Fokus. Das ist ideal, um einen Appell an Ihr Publikum zu richten oder Fragen zu beantworten.
Bleiben Sie der Souverän
Ganz allgemein gebe ich Ihnen den Rat, sich nach Möglichkeit nicht von Ihren Folien abhängig zu machen. Denn Pannen können passieren. Und da wäre es doch schade, wenn Sie die Präsentation absagen müssen, nur weil die Folien fehlen.
Entwickeln Sie also mindestens einen Plan B und üben Sie ihn.
Sie werden davon in jedem Fall profitieren, auch ohne Panne:
- Sie sind sicherer im Thema
- Sie sind flexibler im Vortrag
- Und Sie sind gelassener bei Störungen
Viel Erfolg mit Ihrer nächsten Präsentation!

* Peter Claus Lamprecht ist Präsentationsberater und seit über 36 Jahren in den Bereichen Präsentation und Wissenstransfer aktiv. Sein Schwerpunkt ist die gehirngerechte Konzeption und Gestaltung der Präsentationen seiner Kunden. Dabei folgt er neurowissenschaftlichen Erkenntnissen der Autorinnen Vera F. Birkenbihl und Dr. Carmen Simon. Sein Motto: „Du strahlst auf der Bühne – und gewinnst in Deinem Business“.
Peter Claus Lamprecht, Präsentationsberater
praesentare.com
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